Leica M262 Monochrom
Moment … was?
Klingt widersprüchlich, ich weiß. Diese Kamera existiert offiziell gar nicht.
Die M262 ist keine Monochrom – kein Schriftzug, kein spezieller Sensor, nichts davon. Und doch fühlt sie sich für mich genau so an.
Na ja – fast.






Kurz zurückgespult
Ich fotografiere mit Leica – analog und digital.
Was als reine Neugier begann – dieser Mythos vom „Leica-Feeling“ – hat sich längst zu etwas Tieferem entwickelt.
Leica hat meine Fotografie verändert. Nicht durch Technik oder Datenblätter, sondern durch Haltung. Die Philosophie der Reduktion. Weglassen, um näher dran zu sein. Weniger Ablenkung, mehr Wahrnehmung.
Ich fotografiere heute anders: langsamer, bewusster, klarer. Ich drücke nicht mehr ab, um etwas zu besitzen – sondern um etwas zu verstehen.
Mein Setup – Film & Digital
Analog arbeite ich mit der Leica M-A und digital mit der M262.
Zwei Kameras, zwei Persönlichkeiten – verbunden durch eine gemeinsame Sprache: absolute Klarheit in der Bedienung, kompromisslose Ergonomie und diese unverwechselbare, fast meditative Präzision, die man nicht erklären kann, sondern spüren muss.
Die M-A ist Fotografie in Reinform: kein Display, keine Elektronik, keine Ablenkung. Die M262 ist das digitale Gegenstück dazu – eine Kamera, die alles Überflüssige weglässt. Kein Video, kein Live-View, keine Spielereien. Nur Fotografieren.
Und genau das macht sie so besonders: Sie zwingt mich, mich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren – auf den Moment zwischen Sehen und Auslösen.


Zurück zum Film
In den letzten Jahren hat sich mein Schwerpunkt verschoben. Mittlerweile fotografiere ich zu etwa 70 Prozent auf Film. Nicht, weil es nostalgisch ist, sondern weil es ehrlicher ist.
Film verlangt Geduld. Er zwingt mich, Entscheidungen zu treffen – bewusst, final, ohne doppelten Boden. Ein Filmfoto ist keine digitale Skizze, sondern ein Statement. Ein Bild, das atmet, weil es Grenzen kennt.
Jede Aufnahme kostet etwas – Zeit, Geld, Überlegung. Und genau das verleiht ihr Wert. Diese Reduktion auf das Wesentliche hat meine Wahrnehmung geschärft. Ich sehe wieder, statt nur zu fotografieren.
Schwarzweiß – nicht nur auf Film
Rund 80 Prozent meiner Filmaufnahmen sind schwarzweiß. Mein Standardfilm: Kodak TRI-X.
Sein Korn, seine Tonalität, sein Charakter – das ist kein technischer Look, das ist eine Haltung. TRI-X verzeiht viel und fordert zugleich Präzision. Er ist wie ein guter Freund: ehrlich, direkt, manchmal unbequem.
Schwarzweiß zwingt mich, in Licht zu denken, nicht in Farbe. Es reduziert die Welt auf Form, Struktur und Stimmung. Farbe beschreibt – Schwarzweiß erklärt. Es lässt Raum für Interpretation, für Gefühl.
Mit der Zeit hat dieser monochrome Blick alles verändert. Ich sehe inzwischen in Schwarzweiß – auch digital.

Der digitale Bruch
Und da begann das Problem. Mein digitaler Workflow passte nicht mehr zu meiner Art zu sehen. Ich stellte die M262 auf Monochrom-Modus, das Display zeigte Schwarzweiß – aber sobald ich die Dateien in Lightroom öffnete: Farbe. Und jedes Mal dachte ich: Das bin nicht ich.
Natürlich ließ sich das nachträglich korrigieren – Konvertieren, Presets, Anpassungen. Aber es fühlte sich nie richtig an. Zu technisch. Zu distanziert. Ich hatte das Gefühl, die Kamera sieht etwas anderes als ich.
Die Lösung: M 262 Monochrom (sozusagen)
Irgendwann habe ich das System umgedreht. Ich erstellte ein eigenes Monochrom-Preset in Lightroom – exakt abgestimmt auf meine Tonwerte, meinen Kontrast und mein digitales Korn. Dieses Preset wird automatisch beim Import angewendet.
Seitdem sehe ich meine Bilder nie in Farbe – nicht auf dem Display, nicht am Rechner. Von der Aufnahme bis zur Bearbeitung bleibt alles konsistent monochrom.
Und plötzlich war es da, dieses Gefühl. Nicht identisch mit einer echten Leica Monochrom, aber erstaunlich nah. Der Workflow, das Sehen, das Denken in Grautönen – es fügte sich zu einem stimmigen Ganzen.
Natürlich weiß ich, dass der Sensor meiner M262 nicht dasselbe leistet – echte Monochroms haben keine Farbfilter, ihr Dynamikumfang ist unübertroffen. Aber darauf kommt es mir nicht an. Mir geht es um das Erlebnis, nicht das Messbare. Und genau das hat sich verändert.



Warum nicht gleich eine echte Monochrom?
Die Frage liegt auf der Hand. Ich weiß, was die Monochrom kann – ihr Mikrokontrast, ihre Tiefe, ihre unglaubliche Detailtreue. Sie ist ein technisches und ästhetisches Meisterwerk.
Aber ich habe mich entschieden, zu warten. Nicht aus Vernunft, sondern aus Gelassenheit. Ich brauche sie nicht, um so zu sehen, wie ich sehe.
Und ja, der Preis spielt eine Rolle – völlig gerechtfertigt, aber für mich gerade nicht entscheidend. Ich investiere lieber in Zeit, Projekte und Erfahrung als in weiteres Equipment.
Eines Tages werde ich eine Monochrom besitzen. Nicht, weil ich sie brauche, sondern weil ich sie will. Aber bis dahin reicht mir meine M262 – mit ihrem simplen, ehrlichen Workflow.
Sie zwingt mich, aufmerksam zu sein, langsam zu denken, bewusst zu fotografieren. Die Ergebnisse sprechen für sich – und wichtiger noch: sie fühlen sich richtig an.
Fazit
Manchmal denke ich, Fotografie ist weniger das Festhalten eines Moments als das bewusste Erleben des Augenblicks, bevor man auslöst. Die M262, in meiner Variante, hilft mir dabei.
Sie ist keine echte Monochrom – aber sie hat mir beigebracht, monochrom zu denken.
Und das ist vielleicht das Entscheidende:
Nicht, welche Kamera du nutzt, sondern wie du sie siehst.